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KjG ePaper # 2 2013

Szenen im August

SPITZER // MITREDEN 11 Der Asphalt wellt sich und löst sich auf. Auf der Autobahn Richtung Süden geht nichts mehr, auch auf der Umleitungsstrecke quält sich der Urlaubsverkehr im Schritttempo. Sahara-Wetter und eine erbarmungslose Sonne haben die Straßen- decke aufgeweicht. Reparaturtrupps rücken an, den matschigenTeer wieder notdürf- tig zu flicken. Trotzdem: Mindestens zwei Stunden steckt man fest im Stau. Nur die Klimaanlage sichert das Überleben der Insassen in ihren aufgeheizten Blechkisten. Wo ist die verdammte Sonnencreme? Lichtschutzfaktor 50 ist Pflicht. „Komm bitte, ich will dich eincremen.“„Will ein Eis.“„Aber erst eincremen.“„Nein, Eis.“„Okay, hier das Eis, aber halt´ bitte still und pass´ schön auf.“ Zwei Augenblicke später bilden die gelbliche Creme und das geschmolzene Schokoladeneis eine höchst unappetitliche Masse. Der stille, beinahe trotzige Triumph, zumindest T-Shirt und Hose des Sohnes vor dem sondermüllentsorgungspflichtigen Schleim bewahrt zu haben, hält nur so lange vor, bis man sein eigenes Hemd begutachtet. Zurück im Büro. Auf dem Bildschirm blinken Abwesenheit-Mails. Kein Gemurmel, keine Scherze auf dem Flur. Die Büros der Kolleginnen und Kollegen sind verwaist. Allein der Fotokopierer gibt ab und zu unmotiviert Laute von sich. Nicht der winzigs- te Windhauch wirbelt die Schwüle auf, Fenster und Jalousien bleiben verschlossen zum Schutz vor der Hitze. Beim Blick aus dem Fenster wirken die Lamellen wie Gitter- stäbe. Dahinter, auf der anderen Straßenseite, die Erlösung: das italienische Eiscafé. Zu blöd, dass man erst vor einer halben Stunde dort war. Feierabend, mit der Lizenz zum Ausgehen. Vielleicht endlich mal wieder ein interes- santes Konzert? Auf die Sommer-Festivals schafft man es eh nicht mehr. Hey, ist Google kaputt? Nee, tatsächlich, nur ein kölsches Mitsing-Konzert bietet mir meine Millionenmetropole heute. Morgen kommt ebenfalls nichts Gescheites, eigentlich in der ganzen Woche nicht und in der nächsten auch nicht. Schließlich landet man bei einem obskuren Plattenauflegeabend in einem unbekannten Punkschuppen in der Vorstadt. Von der Musik bekomme ich nicht viel mit, weil alle draußen stehen, drin- nen ist es viel zu heiß. Um halb eins dann, bei einem kühlen Getränk und im netten Talk mit Freundinnen und Freunden: Ja, so lässt sich dieser Sommer ertragen. Herr, der Sommer war groß. Aber jetzt ist es Zeit, dass endlich wieder etwas passiert. Der Sommer war, um es mit Rilke zu sagen:: sehr groß. Zu groß. Und zu heiß. Szennen im Auuguust. TEXT // Wolfgang Finke, moxie

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