Katholische Junge Gemeinde
Bundeskonferenz vom 2.-7.Juni 1998 in Altenberg
Das Denken muß die Richtung ändern - eine andere Umverteilung
ist gefordert
Erklärung der KJG-Bundeskonferenz 1998
zum Schwerpunkt Arbeit
Diese Fassung entspricht dem den Delegierten vorliegenden Stand aus dem
Versand der Buko-Unterlagen. Auf Grafiken mußte leider verzichtet
werden.
Seit Jahren beschäftigt sich die KJG aus dem Blickwinkel von
Mädchen und Frauen sowie Jungen und Männern mit der
Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Auf der KJG-
Bundeskonferenz 1997 wurden im Beschluß "Zukunftsfähigkeit für
alle statt Standortsicherung für wenige" gegen das kurzfristige an
Kosten und Nutzen orientierte betriebswirtschaftliche Denken eine
Orientierung an der "Zukunftsfähigkeit für alle" verabschiedet.
Unsere Vision ist eine Gesellschaft, die:
- ein würdiges Leben für alle sicherstellt,
- den Gegensatz arm - reich national und international zum größten
Teil abbaut und allen Frauen und Männern eine angemessene
Beteiligung am gesellschaftlichen Leben ermöglicht,
- die strukturelle Benachteiligungen für Frauen abbaut,
- die Erwerbs- und Reproduktionsarbeit zwischen Frauen und Männern
gerecht verteilt.
Notwendig sind nicht individuelle, sondern gesamtgesellschaftliche
Lösungen. Wir wissen, daß diese gesellschaftlichen Lösungen auch
Auswirkungen auf jedeN Einzelnen haben und wir unseren eigenen
Lebensstandard kritisch hinterfragen müssen.
Die folgenden konkreten Lösungsvorstellungen leiten sich für uns
KJGlerInnen aus dem christlichen Menschenbild, der katholischen
Soziallehre, dem Ziel weltweiter Gerechtigkeit und dem Auftrag,
die Schöpfung zu bewahren, ab.
Wir müssen feststellen, daß
- die Erwerbsarbeit immer weniger wird:
- Fast 5 Millionen Frauen und Männer sind arbeitslos gemeldet,
und diese Zahl beinhaltet noch lange nicht alle
Arbeitssuchenden.
- Die fortschreitende Technisierung ersetzt immer stärker
menschliche Arbeit durch Maschinen.
- Es fehlen jährlich zehntausende Ausbildungsplätze für
Jugendliche (insb. in den "neuen" Bundesländern, für Mädchen,
AusländerInnen sowie Haupt- und SonderschülerInnen).
- Es werden zunehmend mehr Arbeitsplätze geschaffen, die keine
Absicherung bei Krankheit, Arbeitslosigkeit und im Alter
gewährleisten.
- die Reproduktionsarbeit (Haus-, Beziehungsarbeit und
Kindererziehung) einen geringen gesellschaftlichen Stellenwert
hat und immer noch zum größten Teil von Frauen erledigt wird.
- die Rahmenbedingungen der ehrenamtlichen Arbeit sich ständig
verschlechtern. Gleichzeitig steigen die Anforderungen, da
zunehmend mehr Aufgaben der Sozialarbeit anfallen.
- die notwendigen ökologischen Veränderungen wegen angeblich
daraus resultierenden Arbeitsplatzverlusten nicht umgesetzt
werden.
- die sogenannten Entwicklungsländer werden in den Bereichen, wo
sie konkurrenzfähig sind, vom europäischen Markt ferngehalten.
Dies geschieht oft mit dem Argument, in der EU Arbeitsplätze zu
erhalten.
Wenn hier nicht umgesteuert und umverteilt wird, wird Kindern und
Jugendlichen sowie zukünftigen Generationen ein ökologischer und
sozialer Trümmerhaufen hinterlassen.
Eine solche Welt wollen wir nicht übernehmen und fordern das
Umsteuern und Umverteilen jetzt und heute !
Ausbildungsplätze müssen in ausreichender Zahl zur Verfügung
gestellt werden - was fehlt, ist der Wille zur Umverteilung:
- von den Unternehmen, die ihrer "Ausbildungspflicht" und damit
dem Auftrag des Grundgesetzes zur sozialen Verpflichtung des
Eigentums nicht nachkommen, hin zu denen, die über ihren eigenen
Bedarf ausbilden bzw. zur Finanzierung von Ausbildungsplätzen
außerhalb des dualen Systems
Konkret fordern wir:
- die Einführung einer Umlagefinanzierung für Unternehmen, die
ihrer "Ausbildungspflicht" nicht nachkommen, wie dies in Ansätzen
im Baugewerbe schon verwirklicht ist. Dies ist nach einem Urteil
des BVerfG (10.12.1980) möglich, wenn die Zahl der angebotenen
Ausbildungsstellen nicht mindestens 12,5 % über der Nachfrage
nach Ausbildungsplätzen liegt.
- die Bereitstellung der Ausbildungsplätze in relativer
Wohnsitznähe
- die Reform der Ausbildung, damit zukunftsorientierte
Anforderungen (Partizipation, Schlüsselqualifikationen, ...) zum
Inhalt der Ausbildung werden und sich auch in der Durchführung
der Ausbildung widerspiegeln (Mitbestimmung, Eigenverantwortung,
Projektarbeit, ...)
Erwerbsarbeit und Bezahlung müssen gerecht verteilt werden - was
fehlt, ist der Wille zur gerechten Umverteilung
- von denen, die eine Vollzeitarbeit haben und denen, die
Überstunden kloppen, zu denen, die keine Erwerbsarbeit haben
- von sehr gut bezahlten hin zu unterbezahlten, nicht
existenzsichernden Arbeitsplätzen
- von Männern zu Frauen
Konkret fordern wir:
- die Begrenzung der Überstunden und deren Ausgleich durch
Freizeit
- die Verkürzung der tariflichen Jahresarbeitszeit
- die Erhöhung des Angebots an qualifizierten Teilzeitstellen, wie
dies in den Niederlanden in den letzten Jahren gelungen ist
(Teilzeitanteil an allen Beschäftigungsverhältnissen 38%, BRD
16%, aber auch hier sind es überwiegend Frauen, die Teilzeit
arbeiten)
- die Einführung neuer Arbeitszeitmodelle, wie z.B. das
"Sabbatjahr" (7 Personen teilen sich 6 Arbeitsplätze und haben
rotierend jeweils 1 Jahr bezahlten Urlaub)
- das Ende des Abbaus von Stellen im Bereich der Jugend- und
Sozialarbeit
- die Abschaffung der 620(West)/520(Ost)DM-Jobs und ihre
Umwandlung in sozialversicherungspflichtige Teilzeitjobs z.B. in
Dienstleistungszentren
- die Erhöhung der Tarife in den unteren Lohngruppen, so daß die
dortige Entlohnung existenzsichernd ist. Dies gilt insb. für
Berufe, in denen vorwiegend Frauen beschäftigt sind.
- die Vergabe der Hälfte der Ausbildungsplätze an Frauen
Hausarbeit und Kindererziehung müssen geteilt werden - was fehlt,
ist der Wille zur Umverteilung:
von Frauen hin zu Männern
Konkret fordern wir:
- die Verkürzung der tariflichen Jahresarbeitszeit
- die Erhöhung des Angebots an qualifizierten Teilzeitstellen
- den Abbau der finanziellen Privatisierung der Erziehungsarbeit
und die gleiche Beteiligung von Männern und Frauen an dieser
Arbeit. Vätern und Müttern wird jeweils eine dreijährige
"Elternzeit" gewährt, in der sie voll oder teilweise ihre
Erwerbsarbeit reduzieren können und eine Arbeitsplatzgarantie
besteht. Die finanzielle Unterstützung (Erziehungs-/Elterngeld)
muß deutlich erhöht werden.
- die Abschaffung des Ehegattensplittings, da es ausschließlich
bei traditioneller Arbeitsteilung (Alleinverdiener) oder große
Einkommensunterschiede Steuervorteile verschafft
- die deutliche Erhöhung des Kindergeldes auf mindestens 600 DM,
um Eltern dann zu unterstützen, wenn die Kosten der Versorgung
von Kindern tatsächlich anfallen (Finanzierung durch Abschaffung
des Ehegattensplittings)
- garantierte Kinderbetreuungseinrichtungen mit längeren
Öffnungszeiten sowie feste ("betreute" oder "verläßliche")
Schulzeiten, die zumindest die Aufnahme einer
Halbtagserwerbstätigkeit des/der Erziehenden ermöglichen.
Alle Formen der ehrenamtlichen Arbeit müssen wertgeschätzt
werden - was fehlt ist der Wille, gleiche Rahmenbedingungen zu schaffen
Konkret fordern wir:
- die ehrenamtliche Arbeit im sozialen Bereich und der
Jugendarbeit genauso zu fördern, wie die ehrenamtliche Arbeit in
den Bereichen Politik und Sport
- die Wertschätzung jeder ehrenamtlichen Arbeit, da nicht nur
einzelne, sondern alle Tätigkeiten gesellschaftlich unersetzlich
sind
Explizit auf den Bereich Jugendverbandsarbeit bezogen fordern wir:
- das Beenden der Finanzkürzungen durch Staat und Kirche auf allen
verbandlichen Ebenen
- die Berücksichtigung der ehrenamtlichen Verbandsarbeit bei der
Studienplatzvergabe
- die Berücksichtigung der ehrenamtlichen Verbandsarbeit bei der
Berechnung der Bafög-Höchstförderdauer
- die bundesweite Einführung von 10 Tagen bezahltem Sonderurlaub
für die Leitung von z.B. Freizeiten, wie er in Hessen gewährt
wird. Zusätzlich zu diesen pädagogischen Veranstaltungen sollte
auch die innerverbandliche Interessensvertretung auf mehrtägigen
Konferenzen ermöglicht werden.
Alle Produktionsfaktoren und alle BürgerInnen müssen zur
Finanzierung der sozialen Sicherung beitragen - was fehlt, ist der
Wille zur Umverteilung:
- von arbeitsintensiv produzierenden Unternehmen hin zu kapital-
/maschinenintensiv produzierenden Unternehmen
- von nicht selbständig Beschäftigten hin zu Selbständigen,
BeamtInnen, UnternehmerInnen, ...
Konkret fordern wir:
- die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe, die neben der Arbeit
(im Moment die alleinige Berechnungsgrundlage) auch den Einsatz
von Maschinen und Kapital bei der Berechnung der Bei
tragszahlungen der Unternehmen zur Sozialversicherung
mitberücksichtigt.
- die Veränderung der Alterssicherung in ein System, daß alle
BürgerInnen (neben den Nicht-selbständigen auch Selbständige,
Beamte, UnternehmerInnen, ...) umfaßt und alle Einkünfte (Kapital-
, Erwerbs-, Mieteinnahmen , ...) bei der Berechnung der Beiträge
einbezieht. Eine Umverteilung von reich zu arm ist dadurch zu
gewährleisten, daß die Einkünfte in voller Höhe bei der
Beitragsberechnung berücksichtigt werden, bei Auszahlungen im
Alter sich jedoch die Höhe der Rente nur zum Teil an der Höhe der
Einzahlungen orientiert, da Mindest- und Höchstrenten vorzusehen
sind. Daß ein solches System akzeptiert wird, zeigt seine
Anwendung in der Schweiz.
- die Vereinfachung des Steuersystems, verbunden mit dem Abbau von
Sonderregelungen, die insb. gut Verdienenden zugute kommen. Somit
würde die Steuerprogression wieder ihre erwünschte Wirkung
entfalten.
- Wo immer mehr Geld durch Geld verdient wird, müssen
Kapitalerträge (Zinsen, Spekulationsgewinne, ...) stärker
versteuert werden, um gesellschaftliche Aufgaben zu finanzieren.
Sozialer Ausgleich muß stattfinden - was fehlt, ist der Wille zur
Umverteilung:
- von reichen/wohlhabenden BürgerInnen hin zu armen BürgerInnen
Konkret fordern wir:
- die Einführung eines BürgerInnengeldes zur sozialen
Grundsicherung. Diese Grundsicherung soll allen in Deutschland
lebenden Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft und
Nationalität zustehen und bis zum 18. Lebensjahr an die
Eltern/Alleinerziehenden ausgezahlt werden. Die Höhe muß über dem
heutigen Sozialhilfesatz liegen und ein existenzgesichertes Leben
in Würde und ohne Armut ermöglichen. Das BürgerInnengeld wird
ergänzt durch Erwerbseinkommen und Einkommen aus den sozialen
Sicherungssystemen (insb. Arbeitslosenversicherung, Rente).
Gestaltet werden sollte das BürgerInnengeld in Form der negativen
Einkommenssteuer. D.h. zum einen ist dies ein steuerfinanziertes
System, zum anderen werden Erwerbs- und Transfereinkommen ab der
ersten Mark jedoch nicht in voller Höhe versteuert. D.h., lohnt
es sich auch bei geringen Einkommen dazuzuverdienen, da nur ein
Teil (der Steueranteil) auf das BürgerInnengeld angerechnet wird.
Durch dieses Vorgehen findet eine Einkommenssteuerreduktion für
alle SteuerzahlerInnen statt, und gleichzeitig könnten viele
Einzelleistungen und die damit verbundenen Bürokratien abgebaut
werden. Ebenfalls würde sich die Stigmatisierung von
SozialhilfeempfängerInnen verringern.
- Förderung von ArbeitnehmerInnenkapitalbeteiligungen, um alle
Bevölkerungsgruppen eine Beteiligung am Produktivkapital zu
ermöglichen
Die natürlichen Ressourcen müssen geschont werden - was fehlt, ist
der Wille zur Umverteilung:
- von der Subventionierung des Verbrauchs natürlicher Ressourcen
hin zur Subventionierung des Ressourcensparens
- von volkswirtschaftlich falschen Preisen hin zu Preisen, die die
tatsächlichen Kosten (z.B. erhöhtes Krankheitsrisiko, höhere
Steuern aufgrund von Luft-, Wasser- oder Bodenverschmutzung)
widerspiegeln (Einbeziehung externer Effekte)
- von der Förderung des Individualverkehrs (Steuerfinanzierung der
Straßen) zur Förderung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs
- von der Produktion neuer Waren hin zur Reparatur der
existierenden
Konkret fordern wir:
- die Einführung einer ökologischen Steuerreform, die sowohl
positive Auswirkungen auf die Umwelt als auch auf den
Arbeitsmarkt hat. Dabei sollte bei der Besteuerung des
Energieverbrauchs begonnen werden. Anregungen zur Umsetzung
bieten die Regelungen in Dänemark, Niederlande, Schweiz,
Norwegen, Österreich, Belgien, Schweden und Großbritannien. Auf
diese Weise werden die bisher auf die Allgemeinheit - alle
BürgerInnen - abgewälzten Kosten den verursachenden Unternehmen
und Privatpersonen zugeordnet.
- den Einsatz des Aufkommens der ökologischen Steuerreform
- zur Senkung der Lohnnebenkosten
- zum ökologischen Umbau der Wirtschaft (z.B.Unterstützung bei
der Umstellung von Produktionsweise, Unterstützung besonders
betroffener Regionen, Förderung der Entwicklung und des
Einsatzes umweltfreundlicher Energiegewinnung)
- Unterstützung der Personen, die aufgrund ihrer geringen
Einkünfte von den Regelungen besonders stark betroffen sind
- den Umbau der Subventionierungspolitik hin zur Förderung
regenerativer Energie und des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs
Internationaler Ausgleich muß stattfinden - was fehlt, ist der
Wille zur Umverteilung:
- von Industrieländern hin zu sogenannten Entwicklungsländern
Konkret fordern wir:
- die Entschuldung der ärmsten Länder
- den Abbau der Abschottungspolitik der EU, d.h. die Senkung von
EU-Zöllen (außen) insb. bei weiterverarbeiteten Rohstoffen sowie
den Abbau der Subventionierungen (innen) insb. im Bereich
Landwirtschaft
- die Einhaltung der UN-Verabredung 0,7 % des Bruttosozialprodukts
für die Entwicklungspolitik zur Verfügung zu stellen.
Begründung:
1. Herleitung
Seit vielen Jahren beschäftigt sich die Katholische Junge Gemeinde
(KJG) mit Fragen der Zukunftsfähigkeit aus dem Blickwinkel von
Kindern und Jugendlichen.
Mit dem Beschluß "Zukunftsfähigkeit" für alle statt
Standortsicherung für wenige" hat die Bundeskonferez 1997 die
Richtung angezeigt, in die gesellschaftliche Veränderungen
notwendig sind.
- "Zukunftsfähigkeit für alle" steht für eine Orientierung, die
"versucht, dem kurzfristigen Blick auf Standortsicherung
langfristige Sichtweisen gegenüberzustellen. ...
Zukunftsfähigkeit für alle will diesem abstrakten Denken die
Orientierung am Menschen, der Menschenwürde, der
Lebensqualität, der gleichberechtigten Lebensweise von Frauen
und Männern und Jungen und Mädchen und der Gerechtigkeit
gegenüberstellen."
- "Standortsicherung für wenige"M steht "für die zunehmende
Dominanz eines ausschließlich an Kosten und Nutzen orientierten
betriebswirtschaftlichen Denkens. Dies zeigt sich nicht nur im
politisch-gesellschaftlichen Bereich, sondern zunehmend auch in
den persönlichen, individuellen Wahrnehmungen und
Entscheidungen.
- Diese Herangehensweise ist in letzter Konsequenz blind
gegenüber jeder Wertvorstellung jenseits der Gewinnmaximierung.
...
- Für den Bereich der politischen Entscheidungen heißt das: ...
"Der Markt heiligt die Mittel" und legitimiert auf diese Weise
z.B. die Umverteilung von unten nach oben im Sozialbereich,
eine chinafreundliche Außenpolitik und das Hintenüberkippen der
Belange von Frauen.
Im persönlichen Bereich spiegelt sich dies wider in einer
zunehmenden Orientierung an Leistung und Nutzen: "Ich bin, was
ich leiste, wer rausfällt ist selber schuld". Dabei gilt nur in
Geld ausgezahlte Leistung, Hausarbeit, ehrenamtliche Arbeit und
Kindererziehung (meist Arbeit von Frauen) findet keine
Beachtung."
Diese grundsätzlichen Überlegungen wurden in der
Auseinandersetzung mit dem ebenfalls von der KJG-Bundeskonferenz
1997 festgelegten Schwerpunkt ”Arbeit” aufgegriffen und
konkretisiert. Ergebnisse sind u.a.:
- die Jugendpolitaktion "Auf die Plätze, Arbeit, los!", die von
Juni bis Oktober 1998 durchgeführt wird
- die Kinderstufenaktion im Frühjahr 1999 (Materialen erscheinen
Ende 98)
- diese Erklärung der KJG-Bundeskonferenz
2. Analyse der etwas anderen Art
Die hierfür verwendeten Bilder liegen leider nicht für diese
Internet-Fassung vor...
3. Analyse der herkömmlichen Art
Arbeit wird in der aktuellen gesellschaftlichen Diskussion quasi
ausschließlich mit dem Begriff Erwerbsarbeit gleichgesetzt.
Gegen diese Gleichsetzung wendet sich die Bundeskonferenz der KJG,
da hierdurch sowohl die gesellschaftlich absolut notwendige
Reproduktionsarbeit (Hausarbeit, Kindererziehung, Pflege von
Angehörigen sowie die Beziehungsarbeit, unter der z.B. das
Sorgetragen für die Kommunikation und das Zusammenleben innerhalb
der sozialen Bezüge und das Umsorgen der Erwerbstätigen verstanden
wird) als auch die ehrenamtliche Arbeit unberücksichtigt bleibt.
Die Dominanz der Erwerbsarbeit zeigt sich daran, daß von ihr das
Einkommen und der damit verbundene Lebensstandard, der
gesellschaftliche Status und die soziale Absicherung (Kranken-,
Pflege- , Arbeitslosen- und Rentenversicherung) abhängt. Darüber
hinaus ist sie der Hauptansatzpunkt zur Finanzierung unseres
Staates - des Steuersystems.
Die gegenwärtige Gestaltung der aktuellen und zukünftigen
Absicherung des individuellen und gesellschaftlichen Lebens setzt
eine lebenslange Vollzeitberufstätigkeit (insb.) von Männern
voraus.
Dieses "Ideal" wird immer brüchiger, wie die folgenden
Entwicklungen auf dem (Erwerbs)Arbeitsmarkt verdeutlichen:
- Arbeit wird in zunehmendem Maß durch Kapital/Maschinen ersetzt.
- Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse
ist von 1992 bis zum Frühjahr 1997 um 6,9% auf knapp 27,3
Millionen zurückgegangen.
- Es fehlen Ausbildungsplätze für Jugendliche
- 1998 werden voraussichtlich 800.000 Jugendliche um 600.000
Ausbildungsplätze konkurrieren
- Fast 5 Millionen arbeitslose Frauen und Männer sind bei den
Arbeitsämtern gemeldet. Hinzu kommt noch die sogenannte stille
Reserve - diejenigen, die sich nicht (mehr) regelmäßig beim
Arbeitsamt melden. Die Arbeitslosenquote beträgt zwischen 10%
(West) und 20% (Ost).
- Sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze werden zunehmend in
nicht sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen umgewandelt.
- Zwischen 1992 und 1997 stieg die Zahl der geringfügigen
Beschäftigungsverhältnisse um 26,5%. Inzwischen existieren über
5,6 Millionen 620(West)/520(Ost)DM-Jobs, von denen ¾ von Frauen
ausgeübt werden.
- Zu beobachten ist die Auslagerung von Tätigkeiten an angeblich
Selbständige, die jedoch ausschließlich für eineN ArbeitgeberIn
arbeiten. Geschätzt wird eine Zahl von etwa 1 Million. Hinzu
kommen 400.000 bei Zeitarbeitsfirmen beschäftigte Frauen und
Männer.
Bereits heute ist unsere Gesellschaft gespaltet in:
- Arme und Reiche
- 90% des Produktivvermögens in der BRD gehören 5% der
Bevölkerung.
- Das private Geldvermögen in der BRD betrug Ende 1996
4.950.000.000.000 DM. Davon gehörten dem reichsten Viertel 70%
und dem ärmsten Viertel gerade mal 2%.
- zusätzlich zu etwa 2,5 Millionen SozialhilfeempfängerInnen wird
mit etwa 2,8 Millionen Menschen gerechnet, die in verdeckter
Armut leben, ihren Anspruch auf Sozialhilfe jedoch nicht in
Anspruch nehmen. 900.000 dieser in verdeckter Armut lebenden
Menschen gehen einer Erwerbstätigkeit nach.
- Arbeitsplatzsuchende - ArbeitsplatzbesitzerInnen
- Pro Jahr werden in Deutschland etwa 20-30 Millionen Überstunden
geleistet - rein rechnerisch entspricht dies 1,2 Millionen
Vollzeitarbeitsplätzen.
- finanziell und sozial abgesicherte ArbeitnehmerInnen - schlecht
bezahlte, nicht sozialversicherte ArbeitnehmerInnen
Als Kinder- und Jugendverband sehen wir uns in der Pflicht, diese
bisher allgemein beschriebene Situation mit dem Blickwinkel von
Mädchen und Frauen sowie Jungen und Männern kritisch unter die
Lupe zu nehmen.
- Jugendliche machen sich immer stärkere Gedanken um ihre
(berufliche) Zukunft
- Es fehlen Ausbildungsplätze:
Besonders betroffen sind: Jugendliche in den "Neuen"
Bundesländern (hier stehen einem Ausbildungsplatz drei
BewerberInnen gegenüber), Mädchen und junge Frauen,
AusländerInnen, Jugendliche im ländlichen Raum sowie Haupt- und
SonderschülerInnen.
Diese Personengruppen werden aufgrund ihres Geschlechtes,
Wohnorts, der Nationalität oder der ihrer Schullaufbahn nicht
nur aus Berufsfeldern mit Perspektiven und Aufstiegschancen,
sondern z.T. auch komplett aus der Berufsausbildung und dem
Arbeitsmarkt verdrängt. Dies hat zur Konsequenz, daß
Perspektiven nicht nur für die nächsten 2-3 Jahre, sondern oft
für den Rest des Lebens fehlen. Denn zum einen erhält heute
bereits jedeR 20. eines Jahrgangs keine Berufsausbildung, zum
anderen werden Jobs wegrationalisiert, auf die sie bisher
ausweichen konnten.
- Mädchen und Jungen werden in der Schule immer stärker unter
Druck gesetzt, da die schulischen Leistungen immer relevanter
für die zukünftigen Ausbildungschancen sind.
- Der Ausbildungsmarkt ist geschlechtsspezifisch gespalten. Dies
hat zur Konsequenz, daß Jungen, die einen Frauenberuf genauso
wie Mädchen, die einen Männerberuf ergreifen wollen, oft einen
nicht ihren Wünschen entsprechenden Beruf ergreifen müssen.
- Es existieren insgesamt 331 anerkannte Ausbildungsberufe.
Diese unterteilten sich 1994 in:
West
|
|
Ost
|
13%
|
weibl. dominierte Berufe (über 80% Frauenanteil)
|
15%
|
8%
|
überwiegend weibl. besetzte Berufe (60-80%)
|
12%
|
12%
|
gemischt besetzte Berufe (40-60%)
|
8%
|
13%
|
überwiegend männl. besetzte Berufe (20-40%)
|
8%
|
54
|
männlich dominierte Berufe (unter 20%)
|
57%
|
- Junge Frauen in Männerberufen bilden nach wie vor die
Ausnahme. Ihr Anteil beträgt 2,8% (West) bzw. 1,5% (Ost) der
weiblichen Auszubildenden.
- 1996 waren 38% der betrieblichen Ausbildungsplätze in der Hand
von Mädchen.
- die zehn begehrtesten Ausbildungsberufe von Frauen waren 1995:
Erzieherin (14,4%), Arzthelferin (14,4%),
Kinderkrankenschwester (12,6%), Bankkauffrau (10,8%), Kinder
pflegerin (9,5%), Hotelfachfrau (9,4%), Friseurin (8,3%),
Tierpflegerin (7,7%), Tierarzthelferin (7,6%)
- tatsächlich sind die 10 häufigsten Ausbildungsberufe für
Frauen:
Arzthelferin, Bürokauffrau, Kauffrau im Einzelhandel,
Zahnarzthelferin, Friseurin (693/477), Bankkauffrau,
Industriekauffrau, Fachgehilfin in steuer- und
wirtschaftsberatenden Berufen, Fachverkäuferin im Nahrungs
mittelhandwerk, Hotelfachfrau
(Die Angaben in Klammer geben die durchschnittliche
Ausbildungsvergütung in DM/Monat für 1997 in West/Ost wieder)
- die zehn begehrtesten Ausbildungsberufe von Männern waren
1995:
KfZ-Mechaniker, (11,3%), Maurer (11%), Tischler (10,8%),
Bankkaufmann (9,8%), Elektroinstallateur (9,1%),
Elektromechaniker (8,3%), Automobilmechaniker (7,3%), Radio-
/Fernsehtechniker (5,6%), Bürokaufmann (5,5%), Zimmerer (5,4%)
tatsächlich sind die 10 häufigsten Ausbildungsberufe für
Männer:
KfZ-Mechaniker (934/725), Elektroinstallateur (904/714), Maurer
(1425/1325), Tischler (890/785), Gas- und Wasserinstallateur
(923/714), Maler und Lackierer (909/841), Kaufmann im Groß- und
Außenhandel, Industriemechaniker, Bankkaufmann, Zentralheizungs-
und Lüftungsbauer
(Die Angaben in Klammer geben die durchschnittliche
Ausbildungsvergütung in DM/Monat für 1997 in West/Ost wieder)
- Viele der Frauenberufe bieten auch nach dem Abschluß der
Ausbildung ein sehr geringes Einkommen, das ein eigenständiges
Leben außerhalb der Herkunftsfamilie oder ohne Partner nicht
erlaubt.
- Der Arbeitsmarkt ist geschlechtsspezifisch gespalten:
- es existieren nur wenige Berufe, in denen Frauen und Männer
etwa gleichstark vertreten sind. Der allergrößte Teil der Berufe
ist männerdominiert, ein deutlich kleinerer Teil
frauendominiert.
- Frauen verdienen weniger als Männer:
- Berufe, in denen überwiegend Frauen beschäftigt sind, werden
schlechter bezahlt als Berufe, in denen insbesondere Männer
beschäftigt sind.
- Auch mit identischer Qualifikation werden Frauen oft
schlechter bezahlt als Männer. So verdienen etwa 30% der
Männer, aber nur 5% der Frauen mit Hochschulabschluß mehr als
6.000 DM netto pro Monat.
durchschnittlicher monatlicher Bruttoverdienst 1998
|
|
West
|
Ost
|
ArbeiterInnen
|
|
|
Frauen ohne Berufsausbildung
|
3.181 DM
|
2.339 DM
|
Frauen mit Berufsausbildung
|
3.329 DM
|
2.454 DM
|
Männer ohne Berufsausbildung
|
4.210 DM
|
3.028 DM
|
Männer mit Berufsausbildung
|
4.615 DM
|
3.296 DM
|
durchschnittlicher monatlicher Bruttoverdienst 1998
|
|
West
|
Ost
|
Angestellte
|
|
|
Frauen ohne Berufsausbildung
|
4.123 DM
|
3.142 DM
|
Frauen mit Berufsausbildung
|
4.141 DM
|
3.237 DM
|
Männer ohne Berufsausbildung
|
5.255 DM
|
3.803 DM
|
Männer mit Berufsausbildung
|
6.181 DM
|
4.268 DM
|
- dies zeigt sich auch in der Rentenhöhe: Die durchschnittliche
Rente aus eigener Erwerbsarbeit betrug 1996
Männer
|
Rentenhöhe
|
Frauen
|
4%
|
3.000 DM und mehr
|
1%
|
6%
|
2.700 bis unter 3.000 DM
|
10%
|
2.400 bis unter 2.700 DM
|
15%
|
2.100 bis unter 2.400 DM
|
1%
|
18%
|
1.800 bis unter 2.100 DM
|
3%
|
15%
|
1.500 bis unter 1.800 DM
|
6%
|
11%
|
1.200 bis unter 1.500 DM
|
17%
|
7%
|
900 bis unter 1.200 DM
|
21%
|
5%
|
600 bis unter 900 DM
|
15%
|
5%
|
300 bis unter 600 DM
|
21%
|
4%
|
unter 300 DM
|
15%
|
|
1.800 DM
|
durchschnittlich
|
800 DM
|
- Teilzeitarbeit ist fast ausschließlich ein Arbeitsverhältnis,
in dem Frauen beschäftigt werden.
- Durch das geringe Angebot und die viel höhere Nachfrage nach
solchen Tätigkeiten lassen sich Frauen auf Beschäftigungen
unterhalb ihrer Qualifikation ein.
- Der Frauenanteil an Teilzeitstellen beträgt knapp 90%.
- Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ohne Sozialversicherung
(620(West)/520(Ost)-DM Jobs) sind nach aktuellen Schätzungen zu
¾ mit Frauen besetzt.
- Frauen haben geringere berufliche Aufstiegsmöglichkeiten, da
sie selten eine ununterbrochene Berufstätigkeit nachweisen
können, häufiger Teilzeit arbeiten und Qualifikationen, die sie
sich durch Hausarbeit und Kindererziehung angeeignet haben,
zählen nicht.
- Die Arbeitslosenrate von Frauen liegt seit Jahrzehnten höher
als die Arbeitslosenquote der Männer.
- Junge Frauen wünschen sich von ihren Partnern, daß Hausarbeit
und Kindererziehung geteilt wird - vorgelebt bekommen sie in der
Regel etwas anders:
- der Erziehungsurlaub wird zu über 97% von Frauen in Anspruch
genommen.
- Frauen versuchen sowohl Beruf als auch Kindererziehung und
Haushalt miteinander zu vereinbaren. Konsequenz daraus ist, daß
sie oft auf Teilzeitbeschäftigungen angewiesen sind und einer
Mehrfachbelastung unterliegen. Beides verhindert im aktuellen
Arbeitsmarkt den beruflichen Aufstieg.
- Frauen leisten einen größeren Teil der Hausarbeit
- Frauen ab 12 Jahren arbeiten durchschnittlich 4 Stunden im
Haushalt. Dem stehen bei den Männern ab 12 Jahren 1,75 Stunden
täglich gegenüber. (Zeitbudgetstudien 1992)
- Bei Ehepaaren arbeitet die Frau, abhängig vom Alter, der
Einbindung ins Berufsleben und der Familienstruktur, täglich
1,5 bis 5,5 Stunden mehr im Haushalt als die Ehemänner. Eine
erwerbstätige Frau ohne Kinder verbringt 5 Stunden mit
Hausarbeit, während der Ehemann rund drei Stunden darauf
verwendet. (Zeitbudgetstudie 1992)
- 1992 wurden 65,45 Milliarden Stunden Haus- und Familienarbeit
mit einem volkswirtschaftlichen Wert von etwa 765 Milliarden DM
geleistet.
- der "neue" Mann verabschiedet sich schon wieder:
- Jeweils etwa 20% der Männer orientieren sich am Bild des
"starken" (Erwerbsarbeit ist Männersache, Hausarbeit und
Kindererziehung Frauensache) bzw. des "neuen" (Bereitschaft zur
gerechten Verteilung von Erwerbs- und Hausarbeit) Mannes. In
der Altersgruppe unter 20 Jahren ist der "neue" Mann deutlich
weniger gefragt, nur rund 10% ordnen sich hier zu. Etwa 36%
sind "unsichere" Männer, die sich weder für die traditionelle
noch die gleichberechtigte Rollenverteilung entscheiden können
und zwischen den Stühlen sitzen. Etwa 25% der Männer sind
"pragmatisch" - sie helfen nicht im Haushalt und der Familie
mit und halten wenig von der Berufstätigkeit der Frauen, freuen
sich jedoch über ihren Beitrag zum Familieneinkommen.
(Männerstudie 1998 der beiden großen Kirchen nach FR vom
8.5.98)
- KJGlerInnen stellen immer wieder fest, daß Jugendverbandsarbeit
wenig wahrgenommen und unterstützt wird.
- Ehrenamt bedeutet in der KJG Übernahme von Verantwortung und
die Festlegung auf regelmäßige Mitarbeit.
- Ehrenamtliche Arbeit in der Kirchen- und Kommunalgemeinde wird
oft als selbstverständlich angesehen. Reaktionen erhalten viele
erst in dem Moment, wo etwas mal nicht so klappt, wie es
erwartet wird.
- Die oft geringe finanzielle Unterstützung der
Jugendverbandsarbeit wird sowohl von Kirche als auch Staat zur
Zeit weiter reduziert.
- Die Qualifikationen, die sich KJGlerInnen in ihrer oft
jahrelangen ehrenamtlichen Tätigkeit angeeignet haben, werden
oft nicht wahrgenommen bzw. die daraus evt. resultierenden
längeren Studienzeiten werden ihnen negativ angerechnet.
4. Anhang
Sehr stark vereinfachte Darstellung des BürgerInnengeldes:
Annahmen: Höhe 1.000 DM
Steuersatz einheitlich 50%
BürgerInnengeld
|
Verdienst (*)
|
verfügbares Einkommen
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1.000 DM
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0 DM
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1.000 DM
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900 DM
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200 DM
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1.100 DM
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750 DM
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500 DM
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1.250 DM
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500 DM
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1.000 DM
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1.500 DM
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250 DM
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1.500 DM
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1.750 DM
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./.
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2.000 DM
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2.000 DM
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./.
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2.500 DM
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2.500 DM
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(*) z.B. Gehalt, Rente, Arbeitslosengeld